Erst spät hat uns die Nachricht erreicht, dass Rainer Treseler schon am 05. Januar 2009 an den Folgen eines Herzinfarktes in Bad Pyrmont, wo er die letzten Jahre in einem Heim leben musste, verstorben ist. Damit ist der Zeitabschnitt in Maßmanns Gaststätte endgültig vorüber. Was wir erlebt haben und aus dieser Zeit mitgenommen haben, bleibt uns für immer. Das Erlebte prägt. Und besonders hat alle, die dabei waren, Rainer Treseler geprägt. Bewusst beeinflusste er uns; das war das eigentliche Ziel seines Engagements im Sportverein Häger. Als er selbst noch an die Kugel trat war seine Spezialität der Freistoß mit dem Außenrist von der rechten Strafraumecke links oben im Bogen in den Knick. So eine Art Rainer Bonhof von Häger. Wie viele solcher Treffer er tatsächlich erzielt hat, ist nicht verbrieft. Die Härte seiner Schüsse dagegen bezeugen noch heute viele von uns. Ohnehin lagen Trainers Stärken nicht darin, selbst zu spielen. Gegen Rassismus, gegen Gewalt, für demokratische Spielregeln, wo es auch nur eben geht, mündige, selbstbestimmte Menschen, Zusammenhalt, sowie Achtung und Respekt vor Andersdenkenden, aber ohne falsche Kompromisse zu machen, waren seine Ideale. Äußerlichkeiten waren ihm unwichtig, Getue und Heuchelei zuwider. Und beim Aufdecken und Zurredestellen war er knallhart und konsequent. Lange vor uns hatte er den Wehrdienst verweigert, als das noch überhaupt nicht Mode war. Von seinen Eltern distanzierte er sich, weil er mit ihnen über ihre rechte Vergangenheit nicht ins Reine kam.
Jemand wie Rainer hat nicht nur Freunde: Weil er blöde Thekenparolen nicht so stehen ließ, ausländerfeindlichen und antisemitischen Äußerungen sofort nach- und die Täter anging. Weil er seine Grundeinstellung versuchte konsequent zu leben, fand er an allen Ecken und Enden, natürlich auch in unserem Verein, Anlass zu Streit. Beobachtet man unseren Verein jetzt, dann muss man sagen: Rainers Handeln zeigt nachhaltig Wirkung. Rainer hatte eine konkrete gesellschaftliche Utopie vor Augen, die aber nicht jetzt und sofort umsetzbar war. Diese Erkenntnis enttäuschte ihn maßlos. Schaut man zurück sieht man eine zerrissene Persönlichkeit.
Obwohl der Fußball selbst eigentlich nur Medium war, hatten wir doch unter ihm als Trainer tolle Erfolge, und, wie es immer so ist, auch Rückschläge. Er hörte auf eigenen Wunsch eines Tages mit dem Trainerposten auf, seine Philosophie aber trägt den kleinen HSV nach wie vor. Gute Güte, diese Fahrten mit Rainer: Egal ob es Mutter Schleimer in Ostfriesland, die Kurztour nach Bremen oder Eschwege war: Wir werden, so weit unser Gedächtnis mitmacht, bis an unser Lebensende davon erzählen. Und das haben wir nur Rainer zu verdanken: Er gab wie selbstverständlich seine gesamte Aufwandsentschädigung immer in die Mannschaftskasse und legte selbst noch was drauf, damit wir unsern Spaß zusammen haben konnten. Dass zur Sportwerbewoche immer Urlaub zu nehmen war, war für ihn auch völlig klar.
Sehr bedauerlich, dass Rainers Leben eine so dramatische Wende nahm: Als Folgeerscheinung von viel zu viel Johnny Walker und einem Unfall versagte eines Tages sein Hirn. Dass er dann die letzten Jahre in die Pflegestation im Keller der Kursana-Residenz mit meistenteils demenzerkrankten und völlig desorientierten Hochbetagten zusammen eingesperrt wurde, hatte er nicht verdient. Da heraus zu kommen war für ihn nicht absehbar. So war sein Tod auch seine Befreiung!
Nachdem seine Trainerlaufbahn schon lange vorbei war, fasste Rainer einmal zusammen, worum es ihm eigentlich ging und wofür wir alle uns einsetzen sollten: Und er meinte diesen Begriff nicht als Abwesenheit von Krieg, sondern im weitesten Sinn: Frieden!
Uwe Gehring